Peter Radtke

Hiobs Klage - Rezensionen

Vorarlberger Nachrichten
Siegener Zeitung
Westfälische Rundschau
Mainzer Allgemeine Zeitung
Mainzer Rhein Zeitung
Main-Echo

Vorarlberger Nachrichten

Radtke bewegt sich im Halbdunkel fast zögernd auf seinem Rollstuhl zur Bühnenmitte. Ein kleiner, von der Glasknochenkrankheit schwer gezeichneter Körper wird von einem mächtigen Kopf dominiert. In diesem Gesicht spiegeln sich alle Fassetten des tiefsten Seelengrundes Hiobs. Eine Nadel könnte man fallen hören, so packt seine dichte Bühnenpräsenz die Zuschauer, die vom ersten Fluch über seine Geburt an genötigt sind, auch sich selbst in diesem Archetyp zeitlosen Leids zu suchen. Bezüge gibt es genug.

Radtke überrascht mit seinem trotz (oder wegen?) der Behinderung vielschichtigen darstellerischen Repertoire, mit dem er den Seelenkampf Hiobs auslotet. Text und Körpersprache korrelieren ebenso perfekt wie die Musik von Ina Hauch (Harfe) und Georg Karger (Bass).

Wohl ist sie großteils durchkomponierter Teil der Dramaturgie, tritt aber in improvisatorischen Partien aus der Begleitung heraus, gewinnt zunehmend eigenes Profil und individuellen thematischen Bezug, reflektiert in meditativen Phasen und in, das instrumentale Klangspektrum kühn erweiternden, wilden Ausbrüchen das hiobsche Psychogramm.

Siegener Zeitung

Eine sprachmächtige Inszenierung.
 

Siegener Zeitung

Nur mit sparsamen Gesten – etwa dem Öffnen der Hände – unterstützt der Schauspieler den eindringlichen, bildhaften Text. Natürlich ist die Behinderung des sprachmächtigen Protagonisten gegenwärtig, verleiht dem Text sogar eine zusätzliche Dimension. Nach wenigen Minuten nimmt der Zuseher/Zuhörer Radtkes Behinderung eigentlich nicht mehr wahr, weil man mit seinen Worten auf eine intensive Gedankenreise geht, weil man erkennt, dass dieser grundsätzliche Text jeden angeht.
Neben dem Wort lieferte die Musik die zweite Klangfarbe. Georg Karger und Ina Hauch begleiten und kontrapunktieren, kommentieren und verstören.

Westfälische Rundschau

Radtke, der seinen Körper als Metapher des Leids einsetzte, gab der Frage nach dem "Warum" eine eindringliche physische Dimension. Sein Agieren – reduziert auf Minenspiel und wenige Gesten – lenkte kraftvoll hin auf die unerhörte Gottesanklage jenes Mannes, der schuldlos ins bittere Elend geraten ist. Durch den Kunstgriff, dass Radtke die Einwendungen der Freunde Hiobs in den Monolog einbaute, transportierte er Selbstzweifel in die Figur. So schuf er einen entscheidenden Anknüpfungspunkt für jeden im Publikum, der selbst schon einmal von solchen "Warum"-Fragen umgetrieben worden ist.

Mainzer Allgemeine Zeitung

Das ist viel, sehr viel. Das ist nur schwer auszuhalten. (...) Das biblische Buch Hiob beunruhigt durch die Jahrhunderte hindurch in seinen tiefgründigen Fragen nach dem Sinn des Leidens und der Gerechtigkeit Gottes. Hiob ist die Inkarnation des vom Unglück schwer geschlagenen Menschen. Wie leicht da die Grenze verwischen kann: Man muss aufpassen, darf nicht zu viel hineininterpretieren in den, der vorträgt, der in seiner Behinderung eine Art Kronzeuge sein könnte. Denkt er, fühlt er wie Hiob, in wieweit identifiziert er sich mit den Worten, von denen jedes einzelne der Aufschrei einer verwüsteten Seele ist? Und doch ist es zeitlos, das Klagen, das Suchen nach dem Sinn.
Die szenische Lesung Peter Radtkes, untermalt von Ina Hauch an der Harfe und Georg Karger am Kontrabass, ist ebenso sensibel wie provokativ, konfrontiert den Zuschauer in einer Zeit, die das Schlagwort "Spaßgesellschaft" proklamiert, mit etwas, was er nicht wirklich sehen und aushalten will – und doch ist er in den Bann gezogen.

Mainzer Rhein Zeitung

Buch Hiob aus neuer Perspektive.

Main-Echo

Eine Glasknochenkrankheit hat Peter Radtkes Körper geformt und bestimmt auf den ersten Blick die Wahrnehmung. Doch schon der zweite Blick zeigt ein gewaltiges Potenzial an Kraft und Verstand. Radtke kann seinen Zuschauern mehr zeigen, als sie zu sehen gewohnt sind, wenn sie die Augen offen halten können. (...)

Ina Hauch, Harfe, und Georg Karger, Kontrabass, begleiten die Lesung musikalisch. Ihre Instrumente nehmen Hiobs Konflikt zwischen dem Himmel der Hoffnung und der Hölle der Verzweiflung auf. Das helle Holz der Harfe kontrastiert mit dem dunklen des Basses, die Sphärenklänge reiben sich an düsterem Schrammen.

Aber die Harfe kann auch anders. Mit Hilfe von Zimbeln entledigt sie sich ihrer Lieblichkeit. Diese Klänge bilden den Hintergrund für Hiobs Verzweiflung. "Er hat mich zerbrochen um und um", schreit er seinem Schöpfer entgegen. Hiob will sterben, wenn er nicht dem Zorn Gottes entfliehen kann. Aber seine Worte sind immer auch Herausforderung und Ausdruck der Hoffnung, endlich Ruhe zu fin-den. Quelle seiner Hoffnung ist der unerschütterliche Glaube an die Existenz Gottes. Dafür wird er am Ende belohnt. Er bekommt seine Güter zurück und darf 140 Jahre alt werden.
Das Happy End wird von Peter Radtke nicht übernommen. Seine Lesung endet mit der Frage nach dem Sitz von Weisheit und Verstand. Ein geglücktes Ende – und eine sehr berechtigte Frage.